Irgendjemand hat heute morgen die Sonne eingeschaltet und es gibt ein Wetter, das den Beinamen Mai verdient. Unser Frühstück bei Rexroths in Langenhain-Ziegenberg ist heute etwas ausführlicher und so vertrödel ich die Zeit und muss mich plötzlich beeilen, um noch pünktlich abfahren zu können. Dietmar steht mit Aufforderungscharakter in der Tür, während ich die letzten Bilder ins Gesichtsbuch schiebe.

Erstes Ziel heute ist die Salus-Klinik in Friedrichsdorf, deren Einzugsbereich das Rhein-Main-Gebiet umfasst und wo die Guttempler der Region regelmäßig ihre Hilfeangebote vorstellen. Kurzfristig hat der Kreisbeauftragte Günter Dahlhaus noch einen Besuchstermin verabreden können, denn Friedrichsdorf läge auf dem Weg von Friedberg, unserem gestrigen Ziel, und Neu-Anspach. Nun sind wir aber im Ober-Mörlener Ortsteil Langenhain-Ziegenberg, was Dietmar und mich aber nicht aufhalten kann, auch wenn der Winterstein den Weg blockiert.

So geht unsere Fahrt zunächst hinunter an die Usa, dann aber sofort wieder hinauf, bis endlich auf 414 Meter Höhe ein Nachbau eines Limes-Turms der Römerzeit den höchsten Punkt markiert. Von ihm aus haben wir eine Aussicht auf die Landschaft, die wir gestern durchquert haben und aus dieser Ferne sieht sogar die Autobahn friedlich aus. Heute ist die Streckenführung auch endlich einmal richtig herum: unbefestigte, zum Teil morastige Waldwege aufwärts, glatte asphaltierte Straße abwärts. Dies hat wohl damit zu tun, dass der Limes immer noch für Verteidigungszwecke genutzt wird. Die Bundeswehr hat ein ehemaliges US-Militärgelände übernommen und schützt mit langen Zäunen ihre Munitionsvorräte.

Von der Erdanziehung beschleunigt treffen wir pünktlich um 14 Uhr vorm Klinikeingang ein, wo uns Nica Böttcher, Ferdinand Leist und der leitende Arzt der Suchtabteilung, Dr. Dietmar Kramer mit Günter erwarten. Sie haben liebevoll einen kleinen Imbiss vor der Eingangstür aufgebaut und die Journalistin Christel Wösner-Rafael, die ein Mut-Mach-Buch mit Lebensgeschichten von Frauen, darunter auch einer alkoholkranken Patientin der Klinik, geschrieben hat, befragt mich zur Tour.

Vier Patienten haben sich zur Mitfahrt der restlichen Strecke nach Neu-Anspach bereit gemacht und wir legen ein kurzes Stück des bereits gefahrenen Weges mit ihnen bis zur Bahnstation Köppern zurück, bevor wir am Mühlbach entlang der Bahnlinie folgen. Mit einer kaum merklichen Steigung führt der Weg über Wehrheim auf den Taunus zu, von dem die Türme des Feldbergs weithin sichtbar sind. In Neu-Anspach geht es dann wieder ein wenig bergab auf den Treffpunkt der Gemeinschaft »Usatal« zu, das Gemeindehaus.

Ulrich Druve aus Kassel, früherer hessischer Landesvater, und Edith Eifert begrüßen uns mit einem leckeren Mixgetränk, Brezeln und Käsestangen, die sie des guten Wetters wegen vor der Kirche anbieten können und wir genießen alle gemeinsam den Sonnenschein. Auch Günter, Barbara und Ludwig sind nach dem Hase-Igel-Verfahren wieder zur Stelle. Unsere Friedensfahrer-Gäste aus der Salus-Klinik begeben sich nach einiger Zeit auf den Rückweg, nachdem auch die Presse vorbeigeschaut und uns aufs obligatorische Foto gebannt hat.

Unsere Räder sichern wir in einer Scheune, bevor wir von Edith zu ihrem Haus im Friedrichsdorfer Ortsteil Seulberg mitgenommen werden. Unterwegs besuchen wir den Hessenpark, ein Freilichtmuseum, das dieses Jahr auch ein Jubläum feiert. Vor 40 Jahren wurde hier der Grundstein für das erste Gebäude gelegt. Einige Bereiche sind auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich, so ein Marktplatz mit einer Gießener Häusergruppe, in dem sich ein Hotel befindet. Im Kleinformat haben wir plötzlich ganz Hessen um uns herum versammelt, so dass wir die Fahrt hier eigentlich schon bequem beenden könnten, doch die Stadthalle Hofheim ist hier nicht nachgebaut worden – also geht es morgen weiter nach Taunusstein und Wiesbaden.