Heute Nacht schlafe ich unruhig und komme erst früh morgens zur Ruhe, weswegen mich Heinz durch lautes Klopfen an der Zimmertür wecken muss. Benommen stelle ich mir die übliche Frage, wer und wo ich bin und melde mich bei ihm in der Küche, wo er schon seit geraumer Zeit das Frühstück parat hält. Heute geht die Fahrt nur 40 Kilometer weiter zur südlichsten Gemeinschaft in Hessen, der »Bergstraße« in Zwingenberg.

In diesem Teil Hessens floss nach der letzten Eiszeit noch der Neckar in den Rhein, bevor er über die Jahrtausende hinweg verlandete. Darum ist die Gegend hier so platt wie in der Norddeutschen Tiefebene, was mir nach den Anstrengungen der letzten Woche gerade gelegen kommt. Die Orte, die ich durchfahre, wirken etwas lustlos angelegt, es gibt weder innerhalb noch außerhalb der Ortschaften Straßengrün und ich frage mich, woher die Bewohner hier ihren Sauerstoff geliefert bekommen.

Der Boden ist gut für die Landwirtschaft und überall werden mir Spargel und Erdbeeren angeboten. In Goddelau, das wie die meisten der Dörfer hier den Nachnamen Riedstadt trägt, wurde Georg Büchner geboren, der 1834 die Gesellschaft für Menschenrechte gründete, und mein Radweg führt vor seinem Geburtshaus entlang, in dem zweimal die Woche Ausstellungen besichtigt werden können.

Über die beiden parallel verlaufenden Autobahnen 67 und 5 nähere ich mich der Hügelkette an der Bergstraße, ohne Größeres befürchten zu müssen, denn meine Höhenmeterleistung beträgt auf der heutigen Etappe nur 10 Meter. Nach zwei Stunden erreiche ich Zwingenberg und komme nicht unbemerkt in den Ort, da mich schon die ersten Guttempler der Gemeinschaft »Melibokus« aus dem Nachbarort Bickenbach abfangen, die ebenfalls auf dem Weg zum Treffpunkt am Marktplatz sind.

Ihre Gemeinschaft ist nach dem höchsten Berg des Odenwalds benannt, den ich den ganze Zeit über als Zielmarke vor Augen hatte und dessen sonderbarer Name laut Wikipedia auf einem Übersetzungsfehler im Mittelalter beruhen soll. Nach und nach trudeln Guttempler am Brunnen auf dem malerischen Zwingenberger Marktplatz ein, darunter auch der Kreisbeauftragte Uli Krömer. Die Bickenbacher stellen die meisten Teilnehmer und alle zusammen gehen wir dann nach alter Guttemplersitte in die nächste Eisdiele. Anschließend sind wir bei Eleonore und Willi Nickel in Alsbach-Hähnlein zum Abendessen eingeladen, die in dem Ort auch Fremdenzimmer und Ferienwohnungen anbieten. Hier bleibe ich die Nacht und fahre morgen eine Ultrakurzstrecke nach Bickenbach weiter.