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Frühmorgens schrecke ich hoch, leuchtender Bildschirm und leises Rauschen des Laptops erinnern mich daran, dass ich vor dem Schreiben des Reiseberichts eben noch kurz ruhen wollte. Das ist dann offenbar doch länger geworden, was nicht zuletzt auch dem Umstand geschuldet ist, dass ich in der Nacht zuvor »mal eben« der Website des Göttinger Betreuungsvereins Shelter die längst überfällige Aktualisierung ihres Content-Management-Systems Joomla gegönnt hatte. Nachdem der erste Friedensfahrttag ausreichend dokumentiert ist, breche ich nach dem Frühstück auf und verlasse die Weserterrassen gen Norden – wobei flussabwärts die treffendere Beschreibung wäre, da die Weserwindungen alle möglichen Himmelsrichtungen auf der kommenden Etappe ermöglichen werden.

Die Information des Fährmanns vom Vorabend, dass am 1. Mai die Fähre erst um 10 Uhr ihren Betrieb aufnehmen würde, war fehl. Ich hätte doch schon früher aufbrechen können. Der Weg führt eine leichte Erhebung hoch – es ist die einzige weit und breit mit einem Hof obenauf – um am höchsten Punkt links abzuknicken und wieder abwärts auf den Fluss niederzugehen. An der Küste nennen wir dies Warft, aber hier bei den Süßwassermatrosen? Vermutlich liegt eine antike keltische Grabstelle darunter und niemand hat bisher nachgesehen.

Kurz darauf erreiche ich vor einer beeindruckenden Felswand, vor der auch die Weser kapitulieren und umkehren musste, den Ort Dölme, und da ich mich ja immer noch in Nordrhein-Westfalen befinde, klärt sich jetzt für mich auch, woher der liebevolle westfälische Kosename des Dölmers stammt. Während ich noch darüber nachsinne, was die Bewohner dieses Örtchens wohl angestellt haben mögen, um jenen überregionalen Bekanntheitsgrad erreicht zu haben, stoße ich am Ortsausgang auf das entsprechende gelbe Verkehrsschild – welches aber verkehrt herum aufgestellt ist. Alles klar, denke ich, wieder ein Welträtsel der Menschheitsgeschichte gelöst.

Am 1. Mai herrscht Hochbetrieb auf allen Verkehrswegen. Organspender fahren gruppenweise umher, die Weser-Touristenboote sind gut besetzt und auf dem Radweg ist es so voll wie auf dem Jakobsweg kurz vor Compostela. »Heraus zum roten 1. Mai«, hieß es für unsere Urgroßeltern, um sich für die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen fahnenschwenkend über den Haufen schießen zu lassen. Heute heißt es wohl nur noch »… zum lauten 1. Mai«, und die einzigen Verletzungen, die die Teilnehmenden davontragen sind vermutlich Hörstürze, übersäuerte Mägen und schwere Kater.

Aber auch lustige Hexagon-Räder sind unterwegs, auf denen Sechser-Gruppen strampelnd ein Ungetüm im Schneckentempo vorwärts bewegen. Beruhigend dabei ist, dass die mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzen, nicht die Lenkaufgabe übertragen bekommen haben. Gut gefüllte Bierkästen der hiesigen Marke Altersheimer verraten aber auch, dass der Guttempler-Kongress nicht ihr Ziel ist.

Hinter Bodenwerder nehme ich zwei Kuriositäten wahr: erstens die offenbar mangelnde Kommunikation zwischen den niedersächsischen Kreisen Holzminden und Hameln-Pyrmont, an deren Grenze sich der Radweg um 10 Meter versetzt begegnet und die fehlende Verbindung notdürftig (vom wem denn nun wohl erbaut?) rechtwinklig sozusagen kreisfreies Niemandsland überbrückt. Kurz darauf fahre ich an einem Schild vorbei – von denen es entlang des Weges zahlreiche mit Hinweisen auf Schlafplatz- und Kaffee/Kuchen-Angebote gibt – auf dem mich aber die Überschrift »Usedom« irritiert. Habe ich gerade richtig gelesen? Ja, auch der Insel-Umriss entspricht dieser nun nicht gerade auf dem Weg liegenden Insel. Familie Neubert hat offenbar keine Kosten und Mühen gescheut, um für ihr Haus Ferienidyll in dieser entlegensten Ecke Mecklenburg-Vorpommerns zu werben. So viel Internationalismus will ich am 1. Mai gern mit einem Link belohnen.

Auf Höhe des Örtchens Hajen haben Walpurgisnächtler den Wegweiser verdreht, so dass Hameln in Richtung der nicht mehr vorhandenen Fähre aufs Wasser zeigt. Ich folge diesem Hinweis mal nicht und treffe kurz darauf auf ein weiteres Zeugnis Hajenschen Humors. Eine Skulptur mit vier Treidlern und einer Katze weist auf eine Sage hin, in der ein gestohlener Hasenbraten, ein rachsüchtiger Wirt und ein geopferter alter Kater eine unrühmliche Rolle spielen. Seitdem zogen die Treidler – hier »Hüossen« gerufen – laut miauend an dem Ort vorbei.

In Grohnde passiere ich das nächste sinnlose Atomkraftwerk und werde kurz darauf von Drago angesprochen, der mich nach den Fahreigenschaften meines Hängers befragt. Wir erzählen uns unsere Tourgeschichten und ich bin beeindruckt von seinen 16-stündigen Trips durch Finnland, wo im Sommer die Sonne nicht untergeht und er mal eben 200 Kilometer abspulte. Ich tröste mich damit, dass er dazu sicher nicht das Gewicht meines Gepärcks mit herumfuhr, anderenfalls müsste ich mich vor solchen Menschen fürchten. Im Gegensatz zu mir liebt er alpines Radfahren und tobt marathonmäßig durchs Gebirge. Mit jeder neuen erzählten Tour fühle ich mich immer kleiner und bin dankbar über einen Fotostopp an der Mühle von Tündern, bevor ich beschämt hätte umkehren müssen. So zischt Drago also von dannen und ich sehe ihn später nur noch einmal, als der Weg im rechten Winkel verläuft, am anderen Ende des gedachten Dreiecks.

Die Hafenanlagen in Hameln zeigen, dass hier die industrielle Binnenschifffahrt auf der Weser beginnt. Tankwagenzüge und Aurora-Sonnenstern sagen Schluss mit Naturidyll – hier muss auch mal angepackt werden. Kurz darauf geselle ich mich in Großenwieden zu einer Organspendergruppe, von denen einige sogar mit Quads unterwegs sind, diesen überdimensionierten Aufsitzrasenmähern – ohne Mähwerk. Diese Subkultur wird mir auch weiterhin fremd bleiben.

In Rinteln befindet sich die Erde – auf dem Weser-Planetenweg. Und sicher gäbe es wie auch in den Orten zuvor jede Menge Kulturschätze zu würdigen, doch muss ich ja weiter und kann nur die Tunnelblickeindrücke des Radwegs verarbeiten. Dabei habe ich den Weserradweg-Wegweiser übersehen, der mich aufs westliche Flussufer geführt hätte. Zu meinem Glück, denn der folgt dem »großen Weserbogen« über Vlotho und verlängert den Weg zu meinem heutigen Ziel Porta Westfalica um gute 20 Kilometer. Die Abkürzung führt eine sehr gemächliche Steigung hinauf, bei der ich die A2 unterquere. Die Steigung zieht sich hin und scheint kein Ende zu nehmen, obwohl doch Porta-Denkmal und gegenüberliegender Sendeturm sich genau auf meiner Zielgerade befinden. Zwischen beiden fließt tief unten die Weser.

Die Wegweiser sind inzwischen keine Hilfe mehr, denn seit Rinteln heißt praktisch jedes Nest jetzt mit Vornamen Porta Westfalica und deren Nachnamen sagen mir nichts. Bisher bin ich ohne jede Karte und Navi zurecht gekommen, da der Weserradweg einfach großartig beschildert ist. Doch wo ist nun das »Porta«-Porta – das mit dem Bahnhof? Offenbar habe ich nun aber auch wohl den höchsten Punkt erreicht und ich beginne der Topografie zu folgen. Abwärts ist immer gut und es geht diesmal aber auch richtig steil hinab – gut, dass ich den Weg nicht in der Gegenrichtung befahren muss. Kurz darauf bin ich an der Weserbrücke in Bahnhofsnähe und weiß jetzt, dass der dazugehörige PW-Nachname »Hausberge« heißt.

Auf der Suche nach einer Unterkunft entdecke ich, dass Minden ja nur schlappe sieben Kilometer weiter flussabwärts liegt, und dort wird es sicher viel ruhiger sein, als in diesem engen Weserdurchbruch, wo sich alle Verkehrswege lautstark bündeln. In Minden ist jedoch Kirmes und leiser scheint es dort auch nicht zu sein. Am Ortsende dann das rettende »FairSchlafen«-Schild und meine Nachtruhe ist gesichert. Wieder über 90 Kilometer geschafft.

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